Boris Palmer und die Grünen teilen aus. Wer nicht ihrer Meinung ist "hetzt", "schadet", argumentiert "sträflich" und "geschäftsschädigend"

Boris Palmer und die Tübinger Stadtwerke werden nervös

Fünf der sieben Fraktionen haben sich dazu hergegeben, am 1.12. im Schwäbischen Tagblatt über einen Kollegen herzufallen, der es wagte, die überhöhten Preise für Strom und Gas zu kritisieren. Notfalls sollte ein Anbieterwechsel die Tübinger Stadtwerke auf den Pfad der Tugend zurückzwingen.

Bei den Stadtwerken brennt offensichtlich die Bude. Anders sind die schrillen Töne kaum erklärbar. Der Grüne Augustin nannte mich einen Hetzer, der Oberbürgermeister Boris Palmer brandmarkte mich als Schädling, heute legte die abgehalfterte grüne Fraktionsvorsitzende Vogel nach: Als Aufsichtsrat der Stadtwerke hätte ich mich der Sträflichkeit und Geschäftsschädigung schuldig gemacht.

Der Kreishandwerksmeister und Kreisrat Höritzer winkte den Stadtwerken heute in einem Leserbrief mit dem Zaunpfahl. Er sei wie die fünf Fraktionen der Meinung, dass man bei dem lokalen Anbieter bleiben solle, doch die Stadtwerke müssten dann ihrerseits die anstehenden Leistungen an einheimische Handwerker und nicht nach auswärts billig vergeben.

Die Debatte kommt also voran. Und die politische Verantwortung eines Stadtrats im Aufsichtsrat der Stadtwerke ist auch, dass daran erinnert wird, dass die Stadtwerke den Bürgern der Stadt günstige Tarife anzubieten haben. Das war und ist immer noch ein Hauptargument gegen die Privatisierung der Öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Stadtwerke schaden sich selbst, wenn sie dies vergessen.

Hier die Presseerklärung vom 1.12.2009 zu dem Tagblatt-Trommelfeuer.


Mit ihrem Angebot gehörten die Stadtwerke Tübingen vielmehr zu den günstigsten Anbietern am deutschen Markt“, behaupten fünf Fraktionen laut Tagblatt. Lügen haben diesmal fünf Paar kurze Beine. Zu den günstigsten Anbietern gehörten die Tübinger mal unter dem Direktor Dr. Weng und vorübergehend in den letzten drei Jahren, nachdem ich davor schon einmal die Preistreiberei der Stadtwerke moniert hatte. Zuvor war es der Aufsichtsratsvorsitzenden Russ-Scherer und dem Stadtwerke-Direktor Wiebecke zu wohl geworden. Dieser wörtlich: „Wir sind doch nicht der billige Jakob“.

Wie sieht es heute aus? Eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern (5000 Kwh Strom, 20 000 Kwh Gas) muss in Tübingen (Grundtarif) mit folgenden Mehrkosten rechnen: Gegenüber der Tochter von Gelsenwasser Namens energiehoch3 (Stadtwerke Bochum, Dortmund, Gelsenkrichen etc.) 216.65 € (23,3%) beim Strom und 209,68 € (19,8%) beim Gas, zusammen also 426,33 €. Stand 1.12.2009. Und der Vertrag bei den Stadtwerken in NRW ist monatlich kündbar, da gibt es keine Vorauszahlungen oder gar Wechselprämien, mit denen die Stadtwerke Tübingen auf Kundenfang gehen. Beim Strom gibt es 92 günstigere Anbieter als Tübingen beim Gas sind es 21. Schon bei den jetzigen Preisen, nicht nach der Erhöhung zum 1. Januar. Wem es nicht reicht, dass er schon über die Einspeiseverordnung den Ökostrom bezahlt, wer also mit TüStrom bluegreen 2010 besser schlafen kann, zahlt noch 17 % mehr als beim viertgünstigsten Anbieter, den Stadtwerken in Heidenheim mit ihrem Wasserstrom aqua, das sind 171,25 €. Insgesamt sind 54 Ökostromanbieter günstiger als Tübingen, selbst bei Naturstrom spart man noch 90,20 €.

Ich habe bewusst nur Preise von seriösen Anbietern verglichen, bei mehr Risikofreude kann man über 40% sparen. Ich habe auch nur mit dem Wechsel zu Anbietern gedroht, bei denen man in Monatsfrist wieder aus dem Vertrag herauskommt und zu den Stadtwerken zurückwechseln kann, wenn diese sich wieder anständig aufführen. Diese Notwendigkeit scheint jetzt auch den Tübinger Stadtwerken zu dämmern. Sie schrieben in einer Vorlage vom 30.11.2009, sie strebten für die Zukunft an, „günstige Preise für ihre Produkte anzubieten“. Und die Ausreden für die jetzige Schieflage im Preisvergleich ist wie schon bei Boris Palmer verlogen: Ich habe sie nicht mit „Lockangeboten“, „unseriösen Geschäftsmodellen“ und „Vorauskasse“ verglichen.

Dass 95% der Tarifkunden bisher den Stadtwerken Tübingen treu geblieben sind, ist eine Erfahrung aller Stadtwerke. Die Scheu der Kunden vor einem Wechsel wird so als Ermutigung gedeutet, wieder kräftig zuzulangen. Und mein Argument, mit den überhöhten Tarifen würden vor allem die Bedürftigen belastet, interessiert unseren Oberbürgermeister nicht. Im Gegenteil. Weil hohe Energiepreise und hohe Mieten vor allem die einfachen Leute treffen, könne damit der größte Spareffekt erzielt werden. Die Reichen hätten das gar nicht nötig und seien sowieso in der Minderheit. Ökologie vor sozialer Verantwortung, so das Credo des blauen Tübinger Wunders. Darüber haben wir schon gestritten, bevor Boris Palmer sich zu einer Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt entschieden hatte. Ich habe ihn trotzdem, aus anderen Gründen, unterstützt. Aber es war nur eine Frage der Zeit, dass dieser Streit offen ausbricht.

Die Stadtwerke Tübingen brauchen die Extraprofite durch überhöhte Gebühren nicht für die Querfinanzierungen sozialer Einrichtungen. Das haben sie immer locker auch mit den günstigsten Tarifen geschafft. Die Stadtwerke Tübingen haben sich verhoben. Das geplante Kohlekraftwerk scheint ein Millionengrab zu werden. Schon vor zwei Jahren war klar, dass von den 27 geplanten Kohlekraftwerken maximal sechs gebraucht werden. Und das kleine Tübingen dachte, es sei unter diesen ersten sechs. Damals hätte es nur 160 000 € gekostet, wenn Boris Palmer den Mut gehabt hätte, den Ausstieg aus diesem Abenteuer anzuordnen. Jetzt wird es wohl ein Mehrfaches werden. Die Investitionsruine Brunsbüttel wird betreut von Bettina Morlock, die schon mit Thermoselect, FlowTex und FlowWaste einschlägige Erfahrungen gemacht hat. Die Risikozockerei der Tübinger Stadtwerke scheint in den Händen von Wiederholungstätern zu liegen und wird für die Tübinger noch sündhaft teuer werden.




Was man von den lieben Kollegen im Aufsichtsrat zu halten hat, illustrieren zwei Anekdoten aus den vergangenen Jahren.

1. Es ging um das Sponsoring der Stadtwerke für die Basketballer. Eine Mehrheit des Aufsichtsrats und die Beschäftigtenvertreter waren ursprünglich dagegen. Zuerst nahmen die Geschäftsleitung und die Oberbürgermeisterin die Beschäftigten in den Schwitzkasten, bis sie umfielen. Eine CDU-Stadträtin und ein CDU-Fraktionsvorsitzender lief mit mir zum Ort der Ausichtsratssitzung mit der Ankündigung: Das bringen wir zu Fall. Eine viertel Stunde vor der Abstimmung musste die Kollegin dringend vorzeitig wegen eines anderen Termins gehen. Ihre Firma war wie viele andere Handwerker auf Aufträge seitens der Stadtwerke angewiesen. Und der Fraktionsvorsitzende und Bauleiter wollte es sich mit den Stadtwerken auch nicht verscherzen und enthielt sich der Stimme.

2. Es ging im Gemeinderat um den Jahresabschluss der Stadtwerke. Mein Kollege Kern von der UFW maulte mich vor der Sitzung an, weshalb ich im Aufsichtsrat nichts gegen die Schweinerei gesagt hätte, dass die drei Direktoren sich 25 % Erfolgs-Bonus auszahlen lassen. Zu Lasten der Bürger. Je höher die Gebühren desto höher der Erfolg. Ich antwortete ihm, nicht ich sondern mein Kollege sei im Aufsichtsrat, ich würde aber in der Sitzung etwas sagen. Dort sagte ich genau das, was Kollege Kern vorher vermisst hatte. Nach mir meldete er sich zu Wort, dankte den Stadtwerke-Direktoren und gab sich empört, weil ich sie kritisiert habe. Auf meinen Zwischenruf, das habe er doch vorher von mir verlangt, antwortete er: Das sei "privat" gewesen, jetzt rede er für die Fraktion.

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